Marie Leidorf, 2006. — 342 S. — (Archäologie und Geschichte im Ostseeraum 1).
Mittelalterliche Pfarrkirchen prägen bis heute unser Bild der hansischen Städte. Möglicherweise ist es gerade die unmittelbare Evidenz ihrer physischen Erscheinung, die den eigentümlichen wissenschaftlichen Umgang mit ihnen als historischem Forschungsgegenstand motiviert. So wird das scheinbar unverbrüchliche ‚Dasein’ der sakralen Bauten über die Jahrhunderte hinweg, das jedermann auf den ersten Blick unmittelbar zugänglich ist, zum Ausgangspunkt einer Forschungsrichtung, die sich offenbar die Dokumentation respektive Rekonstruktion dieses Daseins zu ihrer Aufgabe gemacht hat. Demnach ist der Titel des vorliegenden Bandes, der auf ein interdisziplinäres Kolloquium zurückgeht, bereits als Programm zu verstehen: Die Kunsthistoriker und Historiker, Archäologen und Bauforscher, Inschriftenkundler und Archivwissenschaftler, die 2003 in Stralsund zusammenkamen, sprachen über die Pfarrkirchen des Hanseraums, ihre Form und Ausstattung, ihre Bau- und Nutzungsgeschichte, ihre Ausstattung und Besitzungen. Doch lässt die Publikation der 25 Beiträge, in der „sowohl regional, chronologisch als auch thematisch eine kulturgeschichtliche Vielfalt vorgestellt“ wird (kulturgeschichtlich hier wohl eher im Sinne der älteren Kulturgeschichte verstanden), die Rezensentin etwas ratlos zurück. Denn entgegen dem von den Herausgebern in der Einleitung formulierten Anspruch wird in den einzelnen Aufsätzen kaum thematisiert, inwiefern diese Vielfalt „über den jeweiligen Einzelfall hinaus exemplarische Bedeutung besitzt“. Das mag zum einen daran liegen, dass die dem Band vorangestellte Einleitung auf die Formulierung gemeinsamer Fragestellungen weitestgehend verzichtet. Zwar wird die herausragende Bedeutung der Pfarrkirchen für das städtische Leben vom Mittelalter bis in die Gegenwart herausgestrichen und auf die vielfältigen Funktionen der sakralen Bauten in der Vormoderne hingewiesen, aber über deren Nachweis im Einzelfall hinaus wird daraus kein gemeinsames Forschungsinteresse entwickelt. Zum anderen fehlt dem Tagungsband eine thematische Gliederung seiner Beiträge, die jedoch sehr wohl möglich gewesen wäre und aus der sich vielleicht auch unterschiedliche Forschungsperspektiven hätten ableiten lassen.